An einem stillen Nachmittag am Zürichsee setzte ich mich auf eine Bank, die ich schon oft im Vorbeigehen bemerkt, aber nie wirklich wahrgenommen hatte. Der Blick über das Wasser, die Boote, die Möwen – alles schien gewöhnlich und doch von einer unerklärlichen Ruhe erfüllt.

Nach wenigen Minuten setzte sich ein älterer Herr neben mich. Ohne Begrüssung begann er zu erzählen, dass er seit zwanzig Jahren jeden Donnerstag hierherkomme, um den gleichen Platz einzunehmen. Seine Frau sei vor Jahren gestorben, und der See sei für ihn zu einem Ort der Erinnerung geworden.

Kurz darauf gesellte sich eine junge Frau dazu, mit einem Notizbuch auf den Knien. Sie erklärte, sie schreibe Gedichte über Menschen, die sie zufällig trifft. Ihr Blick war wach, neugierig, aber nicht aufdringlich – sie hörte mehr, als sie sprach. Zwischen den drei von uns entstand ein leises Einvernehmen.

Ein Jogger blieb stehen, um kurz zu verschnaufen. Er erzählte von seinem neuen Job, der ihn täglich stresst, und davon, dass er die Laufrunde um den See brauche, um wieder zu sich zu kommen. Niemand kannte den anderen, aber in diesem Moment fühlte sich die Bank an wie ein kleines Forum der Stadt.

Als die Sonne tiefer sank, kam eine Familie mit Kindern vorbei. Sie lachten laut, warfen Steine ins Wasser und teilten ihre Energie mit der ganzen Umgebung. Der ältere Herr lächelte still, die junge Dichterin schrieb weiter, und ich bemerkte, wie die Geschichten der Menschen ineinanderflossen – ganz ohne Absicht.

Bevor ich ging, bedankte sich der Mann für das Gespräch, obwohl wir kaum gesprochen hatten. Die junge Frau reichte mir eine Seite aus ihrem Notizbuch – ein Gedicht über flüchtige Begegnungen. Es begann mit den Worten: „Manchmal sitzt das Leben auf einer Bank.“ Ich faltete das Blatt und wusste, dass dieser Satz bleiben würde.

Der Zürichsee ist nicht nur ein Ort für Spaziergänge, sondern ein Spiegel der Stadt. Auf seinen Bänken treffen sich Welten, Geschichten und Gedanken. Wer sich die Zeit nimmt, hinzuhören, erkennt, dass selbst in der Hektik des Alltags Momente existieren, die verbinden – still, zufällig und echt.